Ein kleines Genussteam der „Kulturfüchsin“ machte sich kürzlich abends auf die Reise vor den Toren Wiens, um wieder einmal in die Vergangenheit der k.u.k-Monarchie einzutauchen und damit für sich das Rad der Zeit zumindest optisch ein wenig zurückzudrehen. Und in der Tat: Das Restaurant präsentiert sich unermüdlich als „Hort des Kitsch as Kitsch can“. Als eine Stätte der auf die Spitze getriebenen Kuriosität bis hin zur Skurrilität. Wer dies so konsequent wie die Inhaberfamilie Bocek-Faltus zu realisieren versteht, der hat es sich durchaus verdient, dass sein Geschäftsmodell in den Bereich eines nicht alltäglichen „Gesamtkunstwerks“ gehoben zu werden. Es regieren Plünder und Plüsch. So intensiv und bemerkenswert arrangiert, dass sich in dem gewöhnungsbedürftigen Ambiente sogar letztlich ein nicht unerhebliches Maß an Wohlgefühl bei den meisten Gästen einstellt.

Auf Biedermeier und Co. gedrechselt

Das auf Biedermeier-Epoche gedrechselte Mobilar in den zahlreichen, miteinander geradezu verschlungenen Räumen mit den optisch getrennten „Logen“ weckt klein wenig Assoziationen an Salons des 19. Jahrhunderts, geradeso als könnte der junge Schubert „Franzl“ mal kurz um die Ecke schauen und sich ans Klavier setzen. Doch für die Musik sorgen zu einem großen Teil natürlich andere – ein Stehgeiger und ein Harmoniumspieler, die nahezu unentwegt bekannte Ohrwürmer-Operetten-Melodien zum Besten geben. Machen sie Pause, dann erfüllen via Tonanlage ausschließlich Walzerkompositionen aus Musikkonserven die Räumlichkeiten.

Ihre Hoheiten lassen grüßen

Diese sind zu einem Teil nach ehemaligen tonangebenden Adeligen – Kaiser Franz Josef, Kronprinz Rudolf etc. – wie aber auch nach Ausstattungsmerkmalen – Kaminzimmer, Gobelinsaal etc. – benannt. Von den Decken der Räume baumeln dicht an dicht allerlei längst ausrangierte Haushaltsgeräte sowie Musikinstrumente aller Klangtöne und andere Artefakte. Frei nach dem Motto: Nutzen statt wegwerfen. An so manchen Ecken und Enden der Gasträume stechen Gemälde bzw. Bilder „Ihrer Hoheiten“ ins Auge, wobei selbstverständlich in der Sammlung die Gemahlin von Franz Josef, Sisi, nicht fehlt, die in trauter optischer Zweisamkeit mit ihrem „Franzl“ auch spezielle Menükarten ziert. Eintauchen in die „gute, alte Zeit“, in eine „heile Welt“, die in Wirklichkeit für allzuviele Menschen eine schlechte gewesen ist.

Wo sich Adabeis zur Prominenz zählen dürfen

Der Marchfelderhof fungiert jedenfalls als Treffpunkt tatsächlicher Prominenz wie in der Mehrzahl jener, die sich dazugehörig fühlen wollen. Adabei lässt grüßen. Allenthalben zieren an den Wänden gerahmte Gäste-Foto-Porträtstrecken von ehemaligen und aktiven Politikgrößen wie ebenso von Künstlern aller Genres die Wände – von Hollywood-Filmstars über heimische Theater- und im Showbiz Tätige bis hin zu namhaften bildenden Künstlern. Und wem das allemal zu wenig ist, der kann sich selbst in den Restrooms an Sujets von Pinup-Girls vornehmlich der 50Jahre des vergangenen Jahrhunderts in den Herren-Toiletten wie ebenso muskelprotzenden Schönlingen des „starken Geschlechts“ in der Damen-Abteilung „ergötzen“ und einmal mehr zur banalen Erkenntnis gelangen, wie schnelllebig und oft oberflächlich gelebt die Zeit doch ist.

Umfangreiches Speisenangebot der Wiener Küche

Zu einem großen Teil angepasst an das Ambiente präsentieren sich auch die sich in Konvolutform präsentierende Haupt-Speisekarte bzw. Spezial-Menükarten. Die klassische Wiener Küche dominiert erwartungsgemäß, verfeinert mit einigen zeitgemäßen Geschmackseinsprengseln. Das vierköpfige Kulturfüchsin-Team delektierte sich an einem Fischpotpourrie mit Trüffelrisotto, an gebratenem Lachs mit in Butter geschwenkten Erdäpfeln sowie an einem Frühlingserwachen-Menü für zwei Personen in drei Akten, die in Summe neun Aufzüge auswiesen. Der 1. Akt bestand aus Weinbergschnecken, Gänseleberterrine sowie Beeftatare, der 2. aus Marchfelder Spareribs, gratiniertem Kaiserspitz und ausgelöstem Sulmtaler Backhendl, der Schlussakt mündete naturgemäß eine dreifache süße Versuchung, die sich von einer Vanillecremeschnitte über den Mohr im Hemd bis zum in der Tat Eistraum aus Waldbeeren und Weichseln auf Nougatmousse erstreckte. Alles fein und optisch gefällig präsentiert, in gar nicht so kleinen, sondern durchaus magenfüllenden Portionen angerichtet, die sich in Summe leider auf die Schwerkraft und damit auf die Waage auswirkten. Kleine, nahezu mit der Lupe zu suchenden Portionen zählen jedenfalls nicht zum Selbstverständnis der Inhaber des Etablissements und der Kochlöffel schwingenden Küchenbrigade, die bestens ihr Handwerk versteht. Hungrig dürfte übrigens kaum jemand den Marchfelderhof verlassen.

Geldbörselschonende Preise

Der für die Vinothek verantwortlich zeichnende Sommelier agiert mit großer Sorgfalt und bietet eine breite Palette an bekannten Weinen prominenter heimischer Winzer wie ebenso Spitzengewächse aus ausländischen Gefilden zu fairen Preisen an. Wie insgesamt die Preisgestaltung des Hauses trotz der auf recht hohem, jedenfalls schmackhaftem Niveau befindlichen Küche in keiner Weise Geldbörsel sprengend ist.

Ein weiteres Atout der bei vielen Gästen zur Institutionen geadelten Gaststätte bildet aber – last but not least – das in Hochform agierende Serviceteam, die den Gästen nahezu jeden Wunsch von den Augen abliest und kompetent, freundlich, allgegenwärtig und dennoch in keiner Weise aufdringlich agiert – und damit dem Motto „Der Gast ist im Marchfelderhof Kaiser“ gerecht wird. Jeder Gast darf sich als VIP fühlen. Kein Wunder, wenn der einzigartige Marchfelderhof eine große Zahl an Stammkundschaft aufweist, die im hauseigenen Stammgastklub ihren gemeinsamen Interessen frönen.

Marchfelderhof
Bockfließerstrasse 31,
2232 Deutsch-Wagram
www.marchfelderhof.at

Geschrieben von Stefan Weinbeisser